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"Alpenpapst" Werner Bätzing stellt seine Alpenbibliographie vor (Livestream)

Am Montag, 11. Oktober 2021, stellt der renommierte Alpenforscher Werner Bätzing seine neue Bibliographie "Alm- und Alpwirtschaft im Alpenraum" ab 11 Uhr im Rahmen einer Pressekonferenz vor. Die Veranstaltung kann hier live mitverfolgt werden (Video auch nach Ende der Pressekonferenz verfügbar).


Eine internationale und interdisziplinäre Bibliographie zur Alm- und Alpwirtschaft in den Alpen hat es bislang noch nicht gegeben. Doch der Erlanger Kulturgeograph Werner Bätzing hat jetzt die „Thematische Alpenbibliographie Nr. 1“ verfasst. Der emeritierte Professor der Universität Erlangen-Nürnberg ist ein bekannter Kritiker der Entwicklung im Alpenraum und gilt als „Alpenpapst“. Für sein Lebenswerk wurde Bätzing mit dem „Deutschen Alpenpreis“ geehrt. In einem 348 Seiten starken neuesten Werk listet Bätzing jetzt rund 2.400 Buchtitel auf – gegliedert nach den Alpenstaaten Deutschland, Österreich und Schweiz, Frankreich, Italien, Liechtenstein und Slowenien sowie den dortigen Regionen. Mit seinem Werk will Bätzing die kulturelle, ökonomische und ökologische Bedeutung der Alm- und Alpwirtschaft für den gesamten Alpenbogen sichtbar machen. Herausgeber ist eine kleine Kommune im Oberallgäu – die Marktgemeinde Bad Hindelang. Erschienen ist das Buch im context verlag Augsburg | Nürnberg.

 

Im Jahr 2016 wurde die „Hochalpine Allgäuer Alpwirtschaftskultur in Bad Hindelang“ im Register Guter Praxisbeispiele des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO gelistet. Schon seit 2011 gehört der Schafwandertrieb in den Ötztaler Alpen – die Tranzhumanz – zum Immateriellen Kulturerbe Österreichs. Spätestens mit den Aufnahmen dieser beiden Kulturtechniken in die UNESCO-Verzeichnisse geriet ein Thema, das viele Menschen nur oberflächlich mit ländlicher Urlaubsidylle, Käse oder Biomilch aus dem Supermarkt in Verbindung bringen, auch außerhalb einer kleinen wissenschaftlichen und landwirtschaftlichen Community ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Wer sich jedoch über die Geschichte und Hintergründe, Rahmenbedingungen und (Kultur-)Techniken dieser landwirtschaftlichen Spezialdisziplin informieren wollte, hatte es bislang nicht leicht, einen Überblick zu gewinnen. Im Deutschen existiert dafür noch nicht einmal ein hochsprachlicher Begriff – im bayerischen Sprachraum ist von „Almen“, in alemannischen Dialekten von „Alpen“ die Rede. Das Wissen um die Alm- beziehungsweise Alpwirtschaft geht heute sukzessive verloren. Dieser Verlust ist umso schmerzlicher, als es bisher keine alpenstaaten-übergreifende Organisation gibt, die dieses Wissen in all seinen Facetten erfasst und dokumentiert.

 

Daher hat der Alpenforscher Werner Bätzing jetzt sein Werk „Alm- und Alpwirtschaft im Alpenraum. Eine interdisziplinäre und internationale Bibliographie“ – als ein Resultat jahrzehntelanger wissenschaftlicher Arbeit – vorgelegt. Das 348 Seiten starke, von der Marktgemeinde Bad Hindelang herausgegebene und im context verlag Augsburg | Nürnberg erschienene Werk listet rund 2.400 Titel aus allen Alpenstaaten und -regionen sowie zu den mit dieser Wirtschaftsform verbundenen Fachgebieten auf – von den Agrarwissenschaften bis zu den Rechtswissenschaften, von der Geographie bis zur Ethnologie. Die bibliographierten Titel in deutscher, italienischer, französischer, englischer, slowenischer und rätoromanischer Sprache ordnet Bätzing den Alpenländern und ihren jeweiligen Regionen zu und versieht sie in Einzelfällen auch mit – teils in mehrere Sprachen übersetzten – Kommentaren. In diesen Einschüben bewertet er die Bedeutung eines Titels, skizziert den Inhalt oder ordnet ihn in den Kontext wissenschaftlicher Debatten ein. Querverweise verschaffen erstmals einen umfassenden Überblick über die alpenweiten Diskussionen und Forschungen. Bätzings rund 30-seitige Einleitung ist auch ins Italienische, Französische, Slowenische und Englische übersetzt. Der Wissenschaftler legt darin nicht nur seine Vorgehensweise und Zielsetzung bei der Erstellung der Bibliographie dar, sondern definiert Begriffe, skizziert die aktuelle Situation und den Forschungsstand und gibt Hinweise zur Nutzung des Buchs. Darüber hinaus wertet er die erfassten Titel statistisch aus – zum Beispiel anteilig nach Fachgebieten und Staaten.

 

Diese umfassende Zusammenstellung von Titeln zur Alm- und Alpwirtschaft (erfasst sind Werke ab 1859) konnte Werner Bätzing nur vor dem Hintergrund einer mehr als 40-jährigen Beschäftigung mit den Alpen erarbeiten. Der in Bamberg lebende emeritierte Professor für Kulturgeographie an der Universität Erlangen-Nürnberg hat das in mehreren Auflagen und Aktualisierungen erschienene Standardwerk „Die Alpen“ verfasst. Seit 2014 ist er Leiter des „Archivs für integrative Alpenforschung“. Nicht zuletzt in dieser Funktion erfasst er akribisch Materialien zur Geschichte der Alpen sowie zur Alm- und Alpwirtschaft. Mit seinem neuesten Werk will der europaweit geschätzte Experte angesichts aktueller Probleme der Alm- und Alpwirtschaft – schleichende Intensivierung, Nutzungsaufgaben, Klimawandel, Belastung und Verdrängung durch Tourismus- und Freizeitaktivitäten sowie die Rückkehr des Wolfs – die immense wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Bedeutung dieser hochspezialisierten landwirtschaftlichen Nutzungsform sichtbar machen. Bätzing will mit seinem Werk aber auch die alpenweite Zusammenarbeit der Akteurinnen und Akteure in den verschiedenen Alpenstaaten und Wissenschaftsdiziplinen fördern.

 

Diese Anliegen decken sich in weiten Teilen mit den Bemühungen der Marktgemeinde Bad Hindelang, die sich als alpflächenreichste Kommune Deutschlands seit 1988 mit dem „Ökomodell Hindelang“  für die Erhaltung der Alpwirtschaft engagiert. Diese Bemühungen wurden 2016 durch die Aufnahme der „Hochalpinen Allgäuer Alpwirtschaftskultur in Bad Hindelang“ in das Register „Guter Praxisbeispiele der Erhaltung immateriellen Kulturerbes in Deutschland“ gewürdigt. Aus diesem Grund gibt die 5.000-Einwohner-Gemeinde im Oberallgäu die „Bätzing-Bibliographie“ heraus –  als gedrucktes Buch wie als E-Book. In ihrem Geleitwort betont Erste Bürgermeisterin Dr. Sabine Rödel die identitätstiftende Bedeutung der Alpwirtschaft für Bad Hindelang. 46 Bad Hindelanger Alpen sind auch für den Tourismus im Tal ein entscheidender Faktor: Denn die hochalpine Alpwirtschaft pflegt und erhält die Oberallgäuer Berglandschaft, die den sechs Ortsteilen jährlich 220.000 Gästeankünfte beschert – und die das Bergdorf zu einem der wenigen bayerischen „Übernachtungsmillionäre“ machen.

 

Die Zusammenarbeit zwischen dem Alpenforscher Bätzing, der Marktgemeinde Bad Hindelang und  dem context verlag Augsburg | Nürnberg kann bereits auf erfolgreiche Projekte zurückblicken: Gemeinsam hat man nicht nur die Bewerbung als Immaterielles Kulturerbe organisiert und vorangetrieben – Verleger Martin Kluger hatte diese Bewerbung initiiert und den Bewerbungstext mit seinem Team verfasst –, 2014 erschien bei context zudem der Band „Kulturerbe Alpwirtschaft in Bad Hindelang im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen“ (unter anderem mit einem Beitrag Werner Bätzings). Das seit Längerem vergriffene Buch wird derzeit überarbeitet, eine Neuauflage ist für 2022 geplant.

 

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