Das vergessene Porträt von Jakob Fugger

Eine „Ahnenreihe“ der Fugger an der Fuggerorgel in St. Ulrich und Afra


Von Martin Kluger

Mitten in der Fuggerstadt Augsburg sind Porträts Jakob Fuggers „des Reichen“ sowie seines Neffen und Nachfolgers Anton Fugger wohl vor längerer Zeit in Vergessenheit geraten. Und das, obwohl die beiden fast lebensgroß gemalten prominenten Augsburger an einem tagtäglich viel besichtigten Ort zu sehen sind. Jetzt wurden sie wiederentdeckt und zweifelsfrei identifiziert. Auf dem rechten Flügelbild der Fuggerorgel in der katholischen Basilika St. Ulrich und Afra sind die beiden Fugger zu erkennen. Die Vorlage für das Gesicht Jakob Fuggers schuf Albrecht Dürer. 


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Die Fuggerorgel in der Augsburger Basilika St. Ulrich und Afra.

Über die Fuggerorgel in der Augsburger Basilika St. Ulrich und Afra ist viel geschrieben worden – vor allem, weil Wolfgang Amadé Mozart 1777 auf dem (ursprünglichen) Instrument gespielt hat. Doch weder der Dompfarrer und ehemalige Stadtpfarrer von St Ulrich, Joseph Maria Friesenegger, der im Jahr 1900 die Basilika ausführlich beschrieb (1), noch spätere Kunsthistoriker und Musikwissenschaftler, die sich mit der Fuggerorgel befassten, schenkten den beiden immerhin 6,66 Meter hohen Flügelbildern der Orgel besonders viel Aufmerksamkeit. Selbst der große Kunsthistoriker Bruno Bushart, langjähriger Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Augsburg und Professor am Kunstgeschichtlichen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München, irrte sich, als er auf dem linken Flügelbild der Orgel Georg, Johannes, Hieronymus und Maximilian Fugger identifizierte (2). In Wahrheit sind in der Menschengruppe im Motiv der Himmelfahrt Christi zweifelsfrei deren Vater, der Stifter der (längst durch ein neues Instrument ersetzten) Orgel, Jakob Fugger III. (1542–1598), Herr zu Babenhausen, Wellenburg und Boos, sowie seine Brüder Markus, Hans und Hieronymus zu sehen (3).  


Dem rechten Flügelbild aber, das in Anlehnung an die Fuggerorgel in der Fuggerkapelle in der Augsburger St.-Anna-Kirche das Motiv der Himmelfahrt Mariens aufgreift, widmete offenbar seit Langem niemand besondere Aufmerksamkeit. Dabei zeigt gerade dieses Flügelbild die beiden bekanntesten Fugger aller Zeiten: Jakob Fugger „den Reichen“, den Stifter der Fuggerkapelle in St. Anna und der Fuggerei, sowie seinen Nachfolger Anton Fugger, unter dem das Augsburger Familienunternehmen im Zenit stand.  


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Das Gesicht Jakob Fuggers „des Reichen“ wurde nach einer äußerst bekannten Vorlage geschaffen: Zweifelsohne diente das Porträt des Kaufherrn, das Albrecht Dürer oder seine Werkstatt um 1518 schuf (nur ein paar Schritte von der Ulrichsbasilika entfernt in der Staatsgalerie Alte Meister zu sehen), oder eine der davon gefertigten Kopien als Vorbild (4). Dafür, dass das Porträt Jakob Fuggers „des Reichen“ in St. Ulrich und Afra so lange unbeachtet blieb, gibt es mehrere Gründe: Zum einen hat der Schöpfer der Flügelbilder, möglicherweise der seit 1599 in Augsburg tätige Hans Freyberger, Jakob Fugger als Jakobspilger dargestellt. Zum anderen ist das Flügelbild vom Kirchenraum aus nur schwer zu erkennen, auf der Orgelempore wiederum steht man aber fast zu nah am Gemälde, um das Motiv richtig erfassen zu können. Für die Darstellung Anton Fuggers, der in einer Gruppe kniender Betender zu entdecken ist, lieferte überdies ein weitgehend unbekanntes Porträt in Privatbesitz die Vorlage (5).  


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Identifiziert hat die beiden Fugger der Augsburger Verleger und Autor Martin Kluger, als er während der Recherchen für sein Taschenbuch „Die Fugger in Augsburg. Kaufherrn, Montanunternehmer, Bankiers und Stifter“ (Ende April 2013 im context verlag Augsburg erschienen) die Flügelbilder der Fuggerorgel mit dem Teleobjektiv fotografierte und anschließend die Bilddaten in der Vergrößerung studierte. Um Zweifel auszuschließen, legte Kluger die Aufnahmen Dr. Tilman Falk, dem früheren Leitenden Direktor der Kunstsammlungen der Stadt Augsburg und späteren Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung München, vor. Auch Tilman Falk ordnete beide Porträts zweifelsfrei den Vorbildern zu. Von ihm stammt zudem der Hinweis, dass der nicht überlieferte Maler der Flügelbilder in St. Ulrich und Afra Hans Freyberger gewesen sein könnte. Übrigens bediente sich Freyberger auch bei einem anderen Augsburger Gemälde – einer Allegorie des Bauwesens – der Methode, ein Gesicht von einer bekannten Vorlage zu übernehmen: Nach einem Stich Lukas Kilians malte Freyberger das Konterfei des Stadtwerkmeisters Elias Holl (6). Dieses Bild hängt im Oberen Fletz des Augsburger Rathauses.  



(1) Friesenegger, Joseph Maria: Die St. Ulrichs-Kirche in Augsburg, Augsburg 1914, S. 25  


(2) Bushart, Bruno: Die Fuggerkapelle zu St. Anna in Augsburg, München 1994, S. 270 f.  


(3) http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/fugger3  


(4) Lieb, Norbert: Die Fugger und die Kunst im Zeitalter der Gotik und der frühen Renaissance, München 1952 (Abbildungen im Anhang, S. 517 ff.)  


(5) Eikelmann, Renate: „lautenschlagen lernen und ieben", in: Die Fugger und die Musik, S. 118  


(6) Miller-Gruber, Renate: Elias Holl. Der geniale Augsburger Baumeister der Renaissance, Augsburg 2010, S. 69