Das Wasserwerk am Vogeltor

Lange vergessen: 1538 erbaut – und seit 1774 mit „neuem“ Wasserturm


von Martin Kluger

Dass der mittelalterliche Vogelturm neben dem Augsburger Vogeltor im 18. Jahrhundert zum Wasserturm umfunktioniert wurde, war schon 2014 vermutet worden. Bei Recherchen zum Ende 2015 erschienenen Buch „Augsburgs historische Wasserwirtschaft. Der Weg zum UNESCO-Welterbe“ stieß Autor Martin Kluger auf ein Dokument, das beweist, dass in Augsburg neben den drei Wassertürmen im Wasserwerk am Roten Tor, dem Brunnenturm am Mauerberg und dem Unteren St.-Jakobs-Wasserturm am Gänsbühl sogar noch ein sechster Wasserturm erhalten geblieben ist. Der Beweis dafür stammt aus dem Stadtarchiv Augsburg: Dabei handelt es sich um eine technische Skizze des Augsburger Stadtbrunnenmeisters Johann Georg Dempp aus der Zeit um 1774.

 

tl_files/context_mv/Vogeltor Stadtgraben IMG_1624 © Martin Kluger:context verlag.jpg

Der Vogelturm ist ein Relikt eines fast vergessenen Wasserwerkes.


Dass am Oberen Graben beim Vogeltor seit 1538 ein Wasserwerk bestand, war in Augsburg durchaus bekannt. Unter Stadtbrunnenmeister Caspar Walter wurde das Wasserwerk 1720 umgebaut, doch dann verschwand das dortige kleine Brunnentürmchen auf der Stadtmauer zwischen dem Vogeltor und der Mauer des Klosters St. Ursula. Dass irgendwo an dieser Stelle aber weiter Trinkwasser in ein Hochreservoir gepumpt wurde, ließ ein Rohrleitungsplan von Stadtbrunnenmeister Johann Georg Wahl sen. aus dem Jahr 1779 vermuten. Der Plan, der den genauen Verlauf der Augsburger Wasserleitungen festhielt, lässt eine Leitung beim Vogelturm neben dem Vogeltor beginnen. Dies war ein Indiz dafür, dass der mittelalterliche Wehrturm schon bald nach Caspar Walters Amtszeit zum Wasserturm unfunktioniert wurde. Doch den endgültigen Beweis für diese Annahme zeigte eben erst eine wiederentdeckte technische Skizze des Nachfolgers von Caspar Walter, Stadtbrunnenmeister Johann Georg Dempp: Zwischen dem Eicht-Wasserturm bei der Kleinen Fuggerei (an einem Stauwehr im Stadtgraben gelegen) und dem Wasserwerk beim Vogeltor ist „der alte Vogelthurn“ mit seinem „Innenleben“ – also mit Hochreservoir, Steig- und Fallleitungen – abgebildet. Spätestens um das Jahr 1774 – dies belegt eine Chronik des Klosters Maria Stern – verlegte man das Reservoir des Wasserwerks vom verschwundenen kleinen Wassertürmchen in den höheren Vogelturm, um damit die Druckhöhe zu steigern.

1843 wurde für das Wasserwerk am Vogeltor eine völlig neue „Brunnenmaschine“ in Betrieb genommen, die direkt vor dem alten Wehrturm an die Stadtmauer angebaut war. Damit hatte das alte Pumpenhaus von 1720 ausgedient. Nachdem 1879 das neue Wasserwerk am Hochablass sämtliche alte Werke an der östlichen Stadtmauer ablöste, wurde das hölzerne Pumpwerk von 1843 wahrscheinlich noch im 19. Jahrhundert abgerissen. Der Standort ist aber bis heute gut sichtbar: Ein helles Rechteck in der Stadtmauer markiert die Stelle. Der alte Wasserturm im Besitz der Stadt Augsburg hingegen steht bis heute an seinem Platz. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er als Notunterkunft eingesetzt, verlor aber danach jede Funktion und geriet in Vergessenheit.

Noch heute dreht sich ein hölzernes Wasserrad über dem Inneren Stadtgraben beim Vogeltor. Dieses Wasserrad erinnert als technisches Denkmal an das mit Ausnahme des Wasserturms in der Stadtmauer verschwundene Wasserwerk beim Vogeltor.

 

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